(1) Für Entscheidungen in Restrukturierungssachen ist das Amtsgericht, in dessen Bezirk ein Oberlandesgericht seinen Sitz hat, als Restrukturierungsgericht für den Bezirk des Oberlandesgerichts ausschließlich zuständig. Ist dieses Amtsgericht nicht für Regelinsolvenzsachen zuständig, so ist das Amtsgericht zuständig, das für Regelinsolvenzsachen am Sitz des Oberlandesgerichts zuständig ist.
(2) Die Landesregierungen werden ermächtigt, zur sachdienlichen Förderung oder schnelleren Erledigung von Restrukturierungssachen durch Rechtsverordnung
- innerhalb eines Bezirks die Zuständigkeit eines anderen, für Regelinsolvenzsachen zuständigen Amtsgerichts zu bestimmen oder
- die Zuständigkeit eines Restrukturierungsgerichts innerhalb eines Landes zusätzlich auf den Bezirk eines oder mehrerer weiterer Oberlandesgerichte zu erstrecken.
Die Landesregierungen können die Ermächtigung durch Rechtsverordnung auf die Landesjustizverwaltungen übertragen. Mehrere Länder können die Errichtung gemeinsamer Abteilungen eines Amtsgerichts für Restrukturierungssachen oder die Ausdehnung von Gerichtsbezirken für Restrukturierungssachen über die Landesgrenzen hinaus vereinbaren.
Übersicht
§ 34 regelt die sachliche Zuständigkeit für Restrukturierungsverfahren und konzentriert die Restrukturierungssachen bei einem Amtsgericht als Restrukturierungsgericht auf der Ebene des Oberlandesgerichtsbezirks. Die Vorschrift verfolgt somit gerichtsorganisatorische Zwecke (Gerichtsorganisation) und soll durch die Zuständigkeitskonzentration auf bestimmte Amtsgerichte die fachliche Kompetenz der Restrukturierungsgerichte stärken, indem durch Kontinuität der Fallzahlen Wissen und Erfahrung entstehen kann (Kompetenzsteigerung) (Begr. RegE SanInsFoG, BT-Drs. 19/24181, S. 141).
Die Restrukturierungsverfahren gehören zur Zuständigkeit der Amtsgerichte (§ 22 GVG). Das Restrukturierungsgericht ist die Abteilung des Amtsgerichts, die entsprechend dem Geschäftsverteilungsplan für Restrukturierungsverfahren zuständig ist. Es handelt sich um eine ausschließliche Zuständigkeit.
Die sachliche Zuständigkeit des Restrukturierungsgerichts entspricht der sachlichen Zuständigkeit des Insolvenzgerichts, wobei jedoch nach der vom Gesetzgeber gewählten Konzentrationslösung für Restrukturierungssachen diejenigen Amtsgerichte zuständig sind, in deren Bezirk jeweils ein Oberlandesgericht seinen Sitz hat (Begr. RegE SanInsFoG, BT-Drs. 19/24181, S. 141; Braun-StaRUG/Baumert, § 34 Rn. 2). Ist dieses Amtsgericht nicht für Regelinsolvenzverfahren zuständig, so ist das Amtsgericht sachlich zuständig, das für Regelinsolvenzverfahren am Sitz des Oberlandesgerichts zuständig ist (§ 34 Abs. 1 S. 2.).
Die Zuweisung des Restrukturierungsrahmens zum als Insolvenzgericht tätigen Amtsgericht erfolgt aufgrund der funktionalen und inhaltlichen Ähnlichkeiten von Restrukturierungs- und Insolvenzsachen (Begr. RegE SanInsFoG, BT-Drs. 19/24181, 141; Thole, ZIP 2020, 1985, 1991). Hierdurch wird sichergestellt, dass das Restrukturierungsgericht nur ein Amtsgericht sein kann, welches für Unternehmensinsolvenzen zuständig ist (Begr. RegE SanInsFoG, BT-Drs. 19/24181, S. 141). Die Bezugnahme auf Regelinsolvenzverfahren war erforderlich, da § 2 Abs. 2 S. 2 InsO-E isolierte Zuständigkeiten für Verbraucherinsolvenzverfahren, Nachlassinsolvenzverfahren und Insolvenzverfahren über das Gesamtgut einer fortgesetzten Gütergemeinschaft und Insolvenzverfahren über das gemeinschaftlich verwaltete Gesamtgut einer Gütergemeinschaft ermöglichte (Begr. RegE SanInsFoG, BT-Drs. 19/24181, S. 141). S. 2 wurde jedoch aufgrund der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz (6. Ausschuss) gestrichen (BT-Drs. 19/25303, S. 96).
Die Zuständigkeit des Restrukturierungsgerichts erstreckt sich hingegen nicht auf materiell-rechtliche Streitigkeiten im Rahmen eines Restrukturierungsverfahrens.
§ 34 Abs. 2 ermöglicht den Ländern, individuelle und auf die jeweilige Situation zugeschnittene Zuständigkeitsregelungen und ist Ausdruck der Organisationshoheit der Länder (Begr. RegE SanInsFoG, BT-Drs. 19/24181, S. 141; Thole, ZIP 2020, S. 1985, 1991). Danach werden die Länder ermächtigt, eine abweichende Zuweisung an ein anderes, für Insolvenzsachen zuständiges Amtsgericht vorzunehmen (§ 34 Abs. 2 S. 1 Nr. 1) oder die Zuständigkeit eines Restrukturierungsgerichts innerhalb eines Landes zusätzlich auf den Bezirk eines oder mehrerer Oberlandesgerichte zu erstrecken (§ 34 Abs. 2 S. 1 Nr. 2).
Auf Vorschlag des Bundesrats und mit Zustimmung der Bundesregierung wurde in § 34 Abs. 2 S. 3 aufgenommen, dass die Länder durch Vereinbarung, die den Gerichten eines Landes obliegenden Restrukturierungssachen insgesamt oder teilweise dem zuständigen Gericht eines anderen Landes übertragen können.
§ 34 Abs. 2 versetzt die Länder somit in die Lage, durch Rechtsverordnung ein anderes Amtsgericht in einem Oberlandesgerichtsbezirk als zuständiges Restrukturierungsgericht festzulegen, nicht jedoch zusätzliche Restrukturierungsgerichte (Begr. RegE SanInsFoG, BT-Drs. 19/24181).
Die Möglichkeit, durch Rechtsverordnung eine von § 34 Abs. 1 abweichende Zuständigkeit zu bestimmen, haben bisher Niedersachsen (Verordnung zur Änderung der Verordnung zur Regelung von Zuständigkeiten in der Gerichtsbarkeit und Justizverwaltung vom 12.1.2021; Nds. GVBl. 2/2021, S. 12) und Nordrhein-Westfalen (Verordnung über die Bestimmung des zuständigen Amtsgerichts in Restrukturierungssachen für den Bezirk des Oberlandesgerichts Hamm vom 7.1.2021; GV. NRW. S. 31) genutzt (HmbKommRestR/Denkhaus/von Kaltenborn-Stachauch, § 34 Rn. 14).
Derzeit bestehen in Deutschland 24 Restrukturierungsgerichte in folgenden Bundesländern:
Bundesland
Restrukturierungsgericht
Baden-Württemberg:
Karlsruhe, Stuttgart
Bayern:
Bamberg, München, Nürnberg
Berlin:
Berlin-Charlottenburg
Brandenburg:
Potsdam
Bremen:
Bremen
Hamburg:
Hamburg
Hessen:
Frankfurt am Main
Mecklenburg-Vorpommern:
Rostock
Niedersachsen:
Braunschweig, Hannover, Oldenburg
Nordrhein-Westfalen:
Düsseldorf, Essen, Köln
Rheinland-Pfalz:
Koblenz, Zweibrücken
Saarland:
Saarbrücken
Sachsen:
Dresden
Sachsen-Anhalt:
Halle (Saale)
Schleswig-Holstein:
Flensburg
Thüringen:
Gera
Funktionell zuständig für die Bearbeitung von Restrukturierungssachen sind die Richter. Das StaRUG selbst enthält keine Hinweise auf die funktionelle Zuständigkeit der Richter, der Regierungsentwurf zum SanInsFoG hingegen schon (Begr. RegE SanInsFoG, BT-Drs. 19/24181, S. 142; Vallender, NZI-Beilage 2021, S. 30). Eine funktionelle Zuständigkeit des Rechtspflegers ist nicht ausgeschlossen, dessen Aufgabenbereich wurde aber im RPflG nicht erweitert (So auch HmbKommRestR/Denkhaus/von Kaltenborn-Stachauch, § 34 Rn. 14).
Bereits durch Art. 4 des Gesetzes zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen (ESUG) vom 7.12.2011 mit Wirkung zum 1.1.2013 förderte der Gesetzgeber die Steigerung der Sachkompetenz bei den Insolvenzgerichten, indem § 22 Abs. 6 S. 2 und 3 GVG eingefügt wurde. Folglich sieht nun Art. 2 SanInsFoG eine Anpassung des § 22 Abs. 6 GVG vor, wonach die Qualitätsanforderungen für Insolvenzrichter personell um Restrukturierungsrichter und sachlich um Restrukturierungssachen erweitert wurden. Hiernach sollen Insolvenz- und Restrukturierungsrichter über belegbare Kenntnisse auf den Gebieten des Insolvenzrechts, des Restrukturierungsrechts, des Handels- und Gesellschaftsrechts sowie über Grundkenntnisse der für das Insolvenz- und Restrukturierungsverfahren notwendigen Teile des Arbeits-, Sozial- und Steuerrechts und des Rechnungswesens verfügen. Einem Richter, dessen Kenntnisse auf diesen Gebieten nicht belegt sind, dürfen die Aufgaben eines Insolvenz- oder Restrukturierungsrichters nur zugewiesen werden, wenn der Erwerb der Kenntnisse alsbald zu erwarten ist (Deppenkemper, ZIP 2020, S. 2432, 2436; umfassend HmbKommInsR/Rüther, § 2 Rn. 16 ff.).
Der gewünschte Spezialisierungseffekt dürfte jedoch zudem erfordern, die neuen Tätigkeiten auch pensenmäßig im Erfassungssystem „Pebbsy“ der Richter mit Zeitbudgets zu verankern, um eine hinreichende inhaltliche Befassung mit der anspruchsvollen Thematik zu gewährleisten (Stellungnahme BAKinso vom 18.9.2020 zum RefE SanInsFoG, A.3.).
Zudem werden auch die Spezialspruchkörper bei den Land- Oberlandesgerichten für Streitigkeiten und Beschwerden aus dem Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz gemäß §§ 72a Abs. 1 Nr. 7, 119a Abs. 1 Nr. 7 GVG erweitert. Die Einrichtung spezialisierter Spruchkörper soll sicherstellen, dass innerhalb des Gerichts eine häufigere Befassung mit der Materie erfolgt, Erfahrungs- und Wissenszuwachs (Stellungnahme Deutscher Richterbund Nr. 10/20 zum RefE SanInsFoG, B.3).