(1) Auf Antrag eines Planbetroffenen, der gegen den Restrukturierungsplan gestimmt hat, ist die Bestätigung des Plans zu versagen, wenn der Antragsteller durch den Restrukturierungsplan voraussichtlich schlechter gestellt wird als er ohne den Plan stünde. Hat der Schuldner gegen den Inhaber einer Absonderungsanwartschaft eine Vollstreckungs- oder Verwertungssperre erwirkt, die diesen an der Verwertung der Anwartschaft hinderte, bleiben Minderungen im Wert der Anwartschaft, die sich während der Dauer der Anordnung ergeben, für die Bestimmung der Stellung des Berechtigten ohne Plan außer Betracht, es sei denn, die Wertminderung hätte sich auch ohne die Anordnung ergeben.
(2) Der Antrag nach Absatz 1 ist nur zulässig, wenn der Antragsteller bereits im Abstimmungsverfahren dem Plan widersprochen und geltend gemacht hat, dass er durch den Plan voraussichtlich schlechter gestellt wird als er ohne Plan stünde. Ist die Planabstimmung in einem gerichtlichen Erörterungs- und Abstimmungstermin erfolgt, muss der Antragsteller spätestens in diesem Termin glaubhaft machen, durch den Plan voraussichtlich schlechter gestellt zu werden.
(3) Der Antrag nach Absatz 1 ist abzuweisen, wenn im gestaltenden Teil des Restrukturierungsplans Mittel für den Fall bereitgestellt werden, dass ein Planbetroffener eine Schlechterstellung nachweist. Ob der Antragsteller einen Ausgleich aus diesen Mitteln erhält, ist außerhalb der Restrukturierungssache zu klären.
(4) Hat weder eine Versammlung der Planbetroffenen (§ 20) noch ein Erörterungs- und Abstimmungstermin (§ 45) stattgefunden, gilt Absatz 2 Satz 1 nur, wenn im Planangebot besonders auf das Erfordernis der Geltendmachung der voraussichtlichen Schlechterstellung durch den Plan im Abstimmungsverfahren hingewiesen wurde. Hat eine Versammlung der Planbetroffenen stattgefunden, gilt Absatz 2 Satz 1 nur, wenn in dem Einberufungsschreiben besonders auf das Erfordernis der Geltendmachung der voraussichtlichen Schlechterstellung durch den Plan im Abstimmungsverfahren hingewiesen wurde. Absatz 2 Satz 2 gilt nur, wenn in der Ladung besonders auf das Erfordernis der Glaubhaftmachung der voraussichtlichen Schlechterstellung durch den Plan spätestens im Erörterungs- und Abstimmungstermin hingewiesen wurde.
Übersicht
Hintergrund des § 64 ist die Sicherstellung der Wahrung der Gläubigerinteressen im Rahmen der Plangestaltung und Planbestätigung („Kriterium des Gläubigerinteresses“), (Begr. RegE SanInsFoG zu § 71 Abs. 1 (neu: § 64 Abs. 1 StaRUG). Diese Ausprägung findet sich auch im insolvenzrechtlichen Minderheitenschutz (§ 251 InsO) und wurde auch im Rahmen der präventiven Restrukturierung gemäß Vorgaben der sogenannten „Restrukturierungsrichtlinie“ im StaRUG umgesetzt (zu den Grundlagen und Motiven der Richtlinie in diesem Zusammenhang eingehend: Morgen/Backes/Blankenburg, Präventive Restrukturierung, Art. 10, Rn. 30 ff. sowie Morgen/Langer/Wolf, Art. 14, Rn. 3 und Rn. 20 ff.).
Das Recht eines jeden Gläubigers muss grundsätzlich Berücksichtigung finden – jedenfalls im Falle einer entsprechenden zulässigen Geltendmachung. Dies gilt insbesondere auch innerhalb einer Gläubigergruppe gegenüber anderen gruppenzugehörigen Planbetroffenen, um eine unsachgemäße Benachteiligung innerhalb einer Gruppe von Planbetroffenen zu verhindern (Braun-StaRUG/Fendel, § 64 Rn. 3.
Die Planprüfung wird gemäß dem Wortlaut der Norm ausschließlich auf Antrag eines Planbetroffenen vorgenommen, nicht von Amts wegen. Ausdrückliche Fristen hierzu enthält die Norm nicht (Fristengeltung umstritten – vgl. eingehend dazu Braun-StaRUG/Fendel, § 64 Rn. 5 m.w.N.). Im Ergebnis wird man sicherlich davon ausgehen können, dass der Antrag auf Versagung der Planbestätigung bis zur Verkündungsentscheidung gestellt werden kann (Braun-InsO/Braun/Frank, § 251 Rn. 5; Braun-StaRUG/Fendel, § 64 Rn. 5; HmbKommInsR/Haas, § 251 Rn.1, der vom Beschwerdeführer einen Antrag auf Versagung noch im Abstimmungstermin fordert).
Das Antragsrecht soll nicht nur für externe Gläubiger, sondern auch für Anteilsinhaber gelten. Dies sei „die notwendige Konsequenz aus der Einbeziehung der Anteilsinhaber in den Kreis derjenigen, deren Rechte einer Planregelung zwangsweise unterworfen werden können“. Eingriffe in Rechte der Anteilsinhaber ließen sich, namentlich dann, wenn sie im Zuge einer gruppenübergreifenden Überstimmung erfolgten, nur rechtfertigen, wenn ihnen zumindest der Wert erhalten bliebe, den ihnen die Beteiligung noch vermittelt (Begr. RegE SanInsFoG zu § 71 Abs. 1 (neu: § 64 Abs. 1 StaRUG)). Mit Blick auf die Systematik sowie einer Gesamtschau der Regelungen überzeugt diese Einbeziehung. Für eine Ausklammerung der Anteilsinhaber und ihrer Rechte besteht kein überzeugender rechtlicher Ansatzpunkt.
Satz 2 regelt ausdrücklich, dass bei der Erwirkung von Verwertungs- und Vollstreckungssperren keine Berücksichtigung von Wertverlusten erfolgt. Dadurch soll sichergestellt sein, dass Wertverluste, die Sicherheiten während der Dauer einer den Sicherungsnehmer an der Verwertung hindernden Stabilisierungsanordnung erleiden, bei der Bestimmung der Stellung des Sicherungsnehmers ohne Plan unberücksichtigt bleiben (Begr. RegE SanInsFoG zu § 71 Abs. 1 (neu: § 64 Abs. 1 StaRUG); Braun-StaRUG/Fendel, § 64 Rn. 7).
Gläubiger dürfen auch bei Minderheitenstellung nicht schlechter gestellt werden im Vergleich zu ihrer Situation ohne Plan („Schlechterstellungsverbot“). Hierzu ist gemäß § 6 Abs. 2 eine Vergleichsrechnung anzustellen, aus der sich ergibt, wie der betroffene Antragsteller bei Durchführung des Restrukturierungsplans und wie er ohn diesen stünde (Braun-StaRUG/Fendel, § 64 § Rn. 8). Schwierigkeiten für die Praxis dürften sich bei den genauen Kriterien und Ansätze der dafür anzustellenden Vergleichsrechnung ergeben (siehe ausführlich dazu Braun-StaRUG/Fendel, § 64 Rn. 8 f.). Zugrunde zu legen ist gemäß der Begründung des Regierungsentwurfs entweder eine Liquidation oder die Situation, die sich im nächstbesten Alternativszenario voraussichtlich einstellen würde (Begr. RegE SanInsFoG zu § 71 Abs. 1 (neu: § 64 Abs. 1 StaRUG)). Beide Ansätze sind daher vertretbar (hierzu auch eingehend Morgen/Backes/Blankenburg, Präventive Restrukturierung, Art. 10, Rn. 35 bis 43 und Rn. 103). Beide Berechnungsmethoden, die zu den komplexesten Prüfungskriterien gehören, die die Richtlinie vorsieht (Morgen/Backes/Blankenburg, Präventive Restrukturierung, Art. 10 Rn. 103), sind hierbei nicht kumulativ, sondern alternativ zu verstehen und umzusetzen (Braun-StaRUG/Fendel, § 64 Rn. 9 m.w.N.). Das Zusammenspiel von § 6 Abs. 2 und § 64 Abs. 1 S. 1 erweist sich als effektiver Schutz für Planbetroffene, die gegen den Restrukturierungsplan gestimmt haben, da das moderne und effektive Insolvenzplanverfahren eine ernsthafte nächstbeste Alternative darstellt, sofern der Schuldner mit erheblichen Begründungsaufwand darzulegen vermag, warum diese Alternative im Insolvenzplanverfahren nicht hinreichend wahrscheinlich sein soll (BeckOK, Skauradszun, § 64 Rn. 26). Die Verteilung der Darlegungs- und Beweislast im Bestätigungsverfahren hat erhebliche praktische Bedeutung, da das Schlechterstellungsverbot eine von zwei maßgeblichen Begründungen dafür ist, warum Eingriffe durch den Restrukturierungsplan in Rechte der Planbetroffenen gerechtfertigt werden können (BeckOK, Skauradszun, § 64 Rn. 70). Wird die Darlegungs- und Beweislast im Bestätigungsverfahren falsch verteilt, wird entweder dem Schuldner die Bestätigung des Restrukturierungsplans erschwert oder dem Planbetroffenen kein ausreichender Minderheitenschutz gewährt (BeckOK, Skauradszun, § 64 Rn. 70).
Absatz 2 der Norm ordnet unter gewissen Voraussetzungen eine Präklusion der Antragstellung an. Demnach soll der Antrag nur bei qualifizierter Darlegung der Schlechterstellung durch den Antragsteller zulässig sein. Voraussetzung ist, dass der Antragsteller bereits im Abstimmungsverfahren dem Plan widersprochen und geltend gemacht hat, dass er durch den Plan voraussichtlich schlechter gestellt wird als er ohne Plan stünde. Der Schuldner soll nachvollziehbarerweise bereits bei der Abstimmung darauf aufmerksam gemacht werden, dass eine Schlechterstellung gerügt werden könnte (Begr. RegE SanInsFoG zu § 71 Abs. 2 (neu: § 64 Abs. 2 StaRUG)). Die Anforderungen für den Antragsteller im Hinblick auf die Geltendmachung bzw. Glaubhaftmachung sind hoch, selbst wenn das Gestz nur von „voraussichtlich“ spricht (HambKommInsO/Thies, § 251 Rn.11; Braun-StaRUG/Fendel, § 64 Rn.13). Im Rahmen eines substantiierten Vortrags unter Vorlage präsenter Beweismittel hat der Antragsteller dazulegen, dass er durch den Plan mit überwiegender Wahrscheinlichkeit schlechter gestellt würde (HambKommInsO/Thies a.a.O; Braun-StaRUG/Fendel a.a.O.). Der formfreie Widerspruch und die Geltendmachung der Schlechterstellung im Abstimmungsverfahren ersetzen den Antrag auf Minderheitenschutz nicht, da Abs. 2 sauber zwischen Zulässigkeitsvoraussetzungen und dem Minderheitenschutzantrag unterscheidet und ferner der Wortlaut von § 64 Abs. 1 S. 1 ausdrücklich einen Antrag verlangt (BeckOK, Skauradszun, § 64 StaRUG R. 48).
Gemäß Absatz 3 ist der Antrag nach Absatz 1 abzuweisen, wenn im gestaltenden Teil des Restrukturierungsplans Mittel für den Fall bereitgestellt werden, dass ein Planbetroffener eine Schlechterstellung nachweist. Ob der Antragsteller einen Ausgleich aus diesen Mitteln erhält, ist außerhalb der Restrukturierungssache zu klären. Die Bestimmung ist an § 251 Absatz 3 InsO angelehnt und richtlinienkonform, weil mit durch die vorzusehenden Mittel eine Schlechterstellung des entsprechenden Planbetroffenen kompensiert werden kann (Begr. RegE SanInsFoG zu § 71 Abs. 3 (neu: § 64 Abs. 3 StaRUG)). Es muss die Gewähr dafür geben, dass für die ausreichende Kompensation des Antragstellers ein konkret darzulegender Betrag tatsächlich zur Verfügung steht (HambKommInsO/Thies, § 251 Rn. 14; Braun-StaRUG/Fendel, § 64 Rn. 14). Durch Sicherheiten, wenigsten jedoch durch eine Rückstellung im Plan ist die Finanzierung der etwaigen Ausgleichsanspruch darzustellen (Braun-InsO/Braun/Frank, § 251 Rn. 9; Braun-StaRUG/Fendel a.a.O.). Der Antrag auf Minderheitenschutz ist schließlich abzuweisen, wenn entsprechende Mittel im gestaltenden Plan ausgewiesen werden.
Absatz. 4 bezieht sich auf die Präklusionsvoraussetzungen nach Absatz 2 und ergänzt diese um eine Hinweispflicht auf das Erfordernis der Geltendmachung der Schlechterstellung gemäß Absatz 2. Durch diese Regelung sollen die Planbetroffenen geschützt werden, indem die Präklusionswirkung des Absatzes 2 zu Lasten des entsprechenden Planbetroffenen dann nur nach entsprechend erfolgtem Hinweis eintreten können (Begr. RegE SanInsFoG zu § 71 Abs. 4 (neu: § 64 Abs. 4 StaRUG)).
Die anzustellenden Vergleichsrechnungen werden nicht nur bei der Erstellung des Plans erhebliche Ressourcen fordern, sondern auch und gerade im Rahmen der gerichtlichen Überprüfung im Falle eines etwaigen Widerspruches nach § 64 Abs. 2. Vor diesem Hintergrund sollten der Schuldner und seine Berater im Zweifel immer entsprechend der Vorsorge- bzw. Nachbesserungsklausel nach Abs. 3 hinreichende Rückstellungen im Plan bereithalten und ausweisen, um die Abstimmung und den Vollzug des Plans nicht durch vermeidlich schlechter gestellte Planbetroffene stören oder aufhalten zu lassen.