§ 9 - Einteilung der Planbetroffenen in Gruppen

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§ 9 ist das Gestaltungswerkzeug des Planerstellers mithilfe dessen er den Plan so gestalten kann, dass Mehrheiten erreicht werden. Der Planersteller teilt hierbei die Planbetroffenen in Gruppen ein, die wiederum im Ergebnis über den Plan abstimmen. Die Einteilung ist von herausragender Bedeutung, insbesondere für die Mehrheitsfähigkeit des Plans (Pannen/Riedemann/Smid/Smid, § 9 Rn. 5), da nicht zustimmende Gläubiger gruppenintern überstimmt werden können, aber auch gruppenübergreifend (vgl. § 26) (Braun-StaRUG/Böhm, § 9 Rn. 1). Die Vorschrift ähnelt § 222 InsO (Gruppenbildung im Insolvenzplan), jedoch mit dem Unterscheid, dass anders als im Insolvenzplan die bezeichneten Pflichtgruppen gebildet werden müssen und ein Eingruppenplan nicht möglich ist. Wird hingegen durch den Restrukturierungsplan lediglich in die Rechte von Gläubigern eingegriffen die grundsätzlich einer Gläubigergruppe angehören, ist die Aufteilung derer in unterschiedliche Gruppen zwar nicht sachgerecht, kann aber ausnahmsweise unschädlich sein, wenn die Planbetroffenen, im Vergleich zu einer sachgerechten Gruppeneinteilung, nicht einfacher oder schwieriger überstimmt werden können (vgl. AG Köln, 83 RES 1/21).

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Entsprechend Abs. 1 S. 1 sind zwingend Gruppen zu bilden, soweit Planbetroffene mit unterschiedlichen Rechtsstellungen betroffen sind. Die vorgeschriebene Unterteilung muss in Absonderungsanwartschaftsinhaber (§ 9 Abs. 1 S. 2 Nr. 1), sog. Einfache Restrukturierungsgläubiger (§ 9 Abs. 1 S. 2 Nr. 2), nachrangige Restrukturierungsgläubiger (§ 9 Abs. 1 S. 2 Nr. 3) und den Inhabern von Anteils- und Mitgliedschaftsrechten (§ 9 Abs. 1 S. 2 Nr. 4) erfolgen. Die Einteilung entspricht dem im Rahmen des SanInsFoG geändertem § 222 Abs. 1 Nr. 1-5 InsO (vgl. Begr. RegE BT-Drs. 19/24181, 118). Aufgrund der inhaltlichen Nähe zum Insolvenzplan, nimmt die Rechtsprechung an, dass sowohl der Insolvenzplan, als auch der Restrukturierungsplan dem Differenzierungsverbot unterliegen und es damit einer Darlegung der Abgrenzungskriterien bedarf (AG Köln 83 RES 1/21 mit Verweis auf AG Köln, 74 IN 45/15, NZI 2016, 537).

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Entsprechend § 9 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 ist für Gläubiger mit Absonderungsanwartschaften eine eigene Gruppe zu bilden. Sämtliche Sicherungsrechte am Vermögen des Schuldners werden, wenn sie nach Insolvenzeröffnung ein Absonderungsrecht darstellen würden, als Absonderungsanwartschaften bezeichnet (Braun-InsO/Esser, § 2 Rn. 13; BeckOK/Fridgen, § 9 Rn. 52). Hierunter sind insbesondere Grundpfandrechte, Sicherungsübereignung und Globalzession, verlängerter und erweiterter Eigentumsvorbehalt zu zählen (Schülke, DStR 2021, S. 621 (624)).

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Ein Eingriff in das Absonderungsrecht liegt vor, wenn die gesicherte Forderung unter den Wert des Absonderungsrechts beschnitten wird, wobei sich der Wert des Absonderungsrechts am zu erwartenden Verwertungserlös nach § 166 ff. InsO orientiert (Nerlich/Römermann/Rühle, § 223 Rn. 8). Soweit lediglich der ungesicherte Anteil beschnitten wird, ist der Gläubiger in der Gruppe der Planbetroffenen im Insolvenzverfahren nicht nachrangiger Gläubiger anzusiedeln (Braun-StaRUG/Böhm, § 9 Rn. 4). Ist ein Teil der Forderung des Gläubigers unbesichert, ist der Gläubiger zwei unterschiedlichen Gruppen zuzuordnen, da die Gruppenbildung anhand der Rechtsposition erfolgt (BeckOK/Fridgen, § 9 Rn. 55, Braun/Böhm, § 9 Rn. 4). Insbesondere bei Lieferanten, die aufgrund von AGB revolvierende Sicherungsrechte haben, wird zu prüfen sein, ob Absonderungsrechte sich in Ersatzaussonderungsrechte gewandelt haben, oder ob diese durch Verwertung / Verarbeitung / Nutzung des Sicherungsgutes nicht bereits wieder untergegangen sind und damit kein Eingriff aufgrund des Plans, sondern ein sonstiger Eingriff, vorliegt. Dem erhöhten Sicherungsbedürfnis (zum Schutzbedürfnis: Knauth, NZI 2021, S. 158, 159) von Gläubigern revolvierender Sicherheiten trägt § 52 Abs. 2 InsO mit Separierungspflichten Rechnung.

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§ 9 Abs. 1 S. 2 Nr. 2
Einfache Restrukturierungsgläubiger, also Inhaber von Forderungen, die im Fall der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens als nicht nachrangige Insolvenzforderungen geltend zu machen wären, nebst darauf entfallender Zinsen und Säumniszuschläge, sind ebenfalls in einer gesonderten Gruppe zusammen zu fassen (Braun-StaRUG/Böhm, § 9 Rn. 4). Hierunter sind neben sämtlichen Insolvenzgläubigern des § 38 InsO - wovon wiederum diejenigen Gläubiger zu unterscheiden sind, deren Ansprüche in einem Insolvenzverfahren kraft Gesetz (§ 55 Abs. 4 InsO) oder gewillkürt (z.B. durch Einzelermächtigung) Masseverbindlichkeiten wären (zur Begründung von Masseverbindlichkeiten durch Einzelermächtigungen: BAG 27.10.2004, 10 AZR 123/04) - auch Zinsen und Säumniszuschlägen zu zählen. Zukünftige Zinsen sind mit Hilfe des Plans gestaltbar (vgl. Begr. RegE BT-Drs. 19/24181, S. 118). Maßgeblich ist hierbei für die Abgrenzung nach dem Zeitpunkt § 2 Abs. 5 und ein bis zu diesem Zeitpunkt begründeter Vermögensanspruch (BeckOK StaRUG/Fridgen, § 9 Rn. 60, 69).

 

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§ 9 Abs. 1 S. 2 Nr. 3
Für nachrangige Restrukturierungsgläubiger (also für diejenigen deren Rechte restrukturierbar sind (zu den nicht-strukturierbaren Rechtsverhältnissen: vgl. § 4 S. 1 Nr. 3)) iSd § 9 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 ist im Restrukturierungsplan für jede Rangklasse eine eigene Gruppe (BeckOK StaRUG/Fridgen, § 9 Rn. 67; a.A. Braun-StaRUG/Böhm, § 9 Rn. 5) zu bilden. Hierbei handelt es sich um Forderungsinhaber von unentgeltlichen Leistungen, Gesellschafterdarlehen und vereinbarten Rangrücktritten gemäß § 39 Abs. 1 Nr. 4 und 5, Abs. 2 InsO.

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§ 9 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 (Inhaber von Mitglieds- und Anteilsrechten)
Für Inhaber von Mitglieds- und Anteilsrechten  ist eine entsprechende Gruppe zu begründen. Dies ist unabhängig davon, ob in die Mitgliedschaftsrechte selbst, oder in die aus dem jeweiligen Mitgliedschaftsrecht abgeleitete Forderung eingegriffen wird (vgl. Braun-StaRUG/Böhm, § 8 Rn. 7; Flöther/Tasma, § 9 Rn. 13; aA BeckOK StaRUG/Fridgen, § 9 Rn. 70), da Mitgliedschaftsrechte durch die Mitgliedschaft, d.h. kraft Gesetz, durch Satzungsvereinbarung oder aus Richterrecht, begründet werden (Für die Mitgliedschaftrechte der GmbH: MüKoGmbHG/Weller/Reichert, § 14 Rn. 61). Der Unterschied ist folgender: Mitgliedschaftsrechte meint Teilhaberechte, Stimmrechte, Vertretungsrechte, Informationsrechte und Klagerechte der Gesellschafter; Forderungsrechte meint Vermögensrechte iSd allgemeinen Mitgliedschaftsrechte, wie Gewinnbeteiligung, Ausschüttungsansprüche oder die Beteiligung an der Liquidationsquote (MüKo-HGB/Schmidt, § 105 Rn. 194). Für Inhaber von Mitglieds- und Anteilsrechten kann es erforderlich sein, mehrere Gruppen zu bilden, wenn ein unterschiedliches wirtschaftliches Interesse, wie bspw. bei Kleinanlegern und Großinvestoren, vorliegt (BeckOK StaRUG/Fridgen, § 9 Rn. 72).

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§ 9 Abs. 1 S. 3
Gläubiger, die Angehörige gruppeninterner Sicherheiten sind, bilden dann eine eigenständige Gruppe, wenn in diese Rechte eingegriffen wird. Im Regelfall wird aufgrund der hohen Individualität gruppeninterner Drittsicherheiten pro Gläubiger eine eigene Gruppe zugeordnet werden müssen, dies spiegelt der Wortlaut des § 9 Abs. 1 S. 3 (BeckOK StaRUG/Fridgen, § 9 Rn. 78; aA Flöther/Tasma, § 9 Rn. 14). Unter gruppeninternen Sicherheiten von Bürgen, Mitschuldnern oder aufgrund einer anderweitig übernommenen Haftung oder Rechte an Gegenständen des Vermögens eines nach § 15 AktG verbundenen Unternehmens zu verstehen (vgl. § 217 Abs. 2 InsO), mithin sowohl von vertikal als auch für horizontal verbundene Unternehmen. Zu berücksichtigen sind alle Arten von Eingriffen in Drittsicherheiten, die in einem Restrukturierungs- oder Insolvenzplan vorgenommen werden können, wie Erlasse, Freigaben und Stundungen (zu möglichen Eingriffen: Hoegen/Kranz, NZI 2021, S. 105, 107). Eingriffe in gruppeninterne Drittsicherheiten bedürfen der Zustimmung des jeweiligen Sicherungsgebers (§ 15 Abs. 4 StaRUG, § 230 Abs. 4 InsO nF), wobei zu beachten ist, dass diese durch gesellschaftsrechtliche Weisung im Rahmen einer Konzernstruktur erreicht werden kann (Hoegen/Kranz, NZI 2021, S. 105, 108).

§ 2 Abs. 4 enthält keine dem § 254 Abs. 2 S. 1 InsO entsprechende Regelung. Dort ist geregelt, dass die Rechte der Insolvenzgläubiger gegenüber den Mitschuldnern und Bürgen der Insolvenzschuldnerin sowie an Gegenständen, die nicht zur Insolvenzmasse gehören, durch den Insolvenzplan nicht berührt werden. Reduziert sich durch Kürzung der besicherten Forderung auch gleichzeitig die Bürgschaftsschuld, liegt - jedenfalls bei akzessorischen Sicherheiten - ein mittelbarer Eingriff in gruppeninterne Sicherheiten vor (eine Reduzierung bejahend: Westpfahl/Dittmar, NZI-Beilage 2021, S. 46, 47), was mithin zu der Notwendigkeit einer Gruppenbildung führt.

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Abs. 2 gibt die Möglichkeit einer weiteren Untergliederung der in Abs. 1 vorgeschriebenen Gruppen nach wirtschaftlichen Interessen. Untergliederung ist hier mit Blick auf das Stimmrecht nicht hierarchisch zu verstehen, sondern, dass statt einer Gruppe mit gleicher Rechtsstellung mehrere gleichberechtigte Gruppen mit gleicher Rechtsstellung, aber unterschiedlichen wirtschaftlichen Interessen, gebildet werden (Pannen/Riedemann/Smid/Smid, § 9 Rn. 26; Flöther/Tasma, § 9 Rn. 15, 18; Keller/Keller, Insolvenzrecht Rn. 1731, 2. Aufl. 2020). Die sachgerechte Abgrenzung ist im Plan darzustellen (Flöther/Tasma, § 9 Rn. 19; vgl. Begr. RegE BT-Drs. 19/24181, 118). Kriterium für die Untergruppenbildung ist das unterschiedliche wirtschaftliche Interesse der Planbetroffenen. Vom Ergebnis her gedacht also insbesondere unterschiedliche Beiträge der Planbetroffenen am Restrukturierungserfolg. Die offene Differenzierung dahingehend, ob ein Gläubiger die Sanierung mittels Restrukturierungsplan billigt oder nicht, stellt kein unterschiedliches wirtschaftliches Interesse dar (AG Köln, 83 RES 1/21). Im Rahmen des Insolvenzplanrechts sind darüber hinaus auch rechtliche Differenzierungen vorgesehen, so z.B. nach dem Forderungsgrund (Miete, Pacht, Dienstleistung etc.), gegen die auch hier keine Bedenken bestehen.

Dem gesetzlich verankerten Kleingläubigerschutz - verankert zur Verhinderung von Nachteilen durch das Abstimmungsverhalten von Großgläubigern (Spahlinger, NZI-Beilage 2021, S. 32) -, dass bei Einbeziehung der Rechte von Kleingläubigern, eine eigene Gruppe für Kleingläubiger zu bilden  ist (§ 9 Abs. 2) widersprich eine Untergruppierung jedoch nicht, soweit oben genannte Kriterien erfüllt sind.

Die fakultative Untergliederung wird - ähnlich wie die Gruppenbildung im Insolvenzplan - in der Praxis dazu genutzt werden, die Wahrscheinlichkeit der Planannahme zu erhöhen (Flöther/Tasma, § 9 Rn 16; MüKoInsO/Eidenmüller, § 222 Rn. 9). Hier ist insbesondere ein Augenmerk auf die gruppenübergreifende Mehrheitsentscheidung nach § 26 StaRUG zu verweisen.