§ 89 regelt in Umsetzung des Art. 17 und 18 der Richtlinie (EU) 2019/1023 die Auswirkung einer Restrukturierungssache auf die insolvenzrechtliche Anfechtung (§§ 129 ff. InsO), auf die Insolvenzverschleppung sowie auf die Haftung von Geschäftsleitern wegen Zahlungen nach Eintritt der Insolvenzreife (§§ 15a, 15b InsO). Zur Umsetzung eines funktionsfähigen Sanierungskonzepts ist der Schuldner regelmäßig auf finanzielle Unterstützung und Beratung angewiesen (Stohrer, ZInsO 2018, S. 660, 667). Demgegenüber stellt eine etwaige Anfechtbarkeit insbesondere von Sicherungsgeschäften des Schuldners ein mögliches Risiko für diejenigen dar, die dem Schuldner bei seinem Sanierungsvorhaben finanziell zur Seite stehen wollen. Es geht folglich maßgeblich darum, das Vertrauen potenzieller Geschäftspartner des Schuldners auf die Rechtssicherheit und Insolvenzfestigkeit der mit dem Schuldner abgeschlossenen Geschäfte zu stärken (Morgen/Bork, StaRUG, § 89 Rn. 3).
Die Regelung soll daher zum einen verhindern, dass die Geschäftspartner des Schuldners nach Inanspruchnahme von Restrukturierungsinstrumenten ihre Geschäftsbeziehung überdenken, um etwaige Anfechtungs- und Haftungsrisiken zu vermeiden, die sich im Falle eines späteren Insolvenzverfahrens ergeben könnten (BT-Drucks. 19/24181, S. 181). Zu diesem Zweck reicht nach Abs. 1 und 2 die bloße Kenntnis einer Restrukturierungssache oder unter Umständen sogar der Insolvenzreife nicht aus, um einen sittenwidrigen Beitrag zur Insolvenzverschleppung oder eine mit Gläubigerbenachteiligungsvorsatz vorgenommene anfechtbare Rechtshandlung anzunehmen. Hierdurch soll Rechtssicherheit für neue Finanzierungen und Zwischenfinanzierungen sichergestellt werden.
Zum anderen normiert Abs. 3 eine Ausnahme zur Haftung der Geschäftsleiter für Zahlungen bei Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung, wenn das Gericht trotz Insolvenzreife von einer Aufhebung der Restrukturierungssache gemäß § 33 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 (zunächst) absieht (siehe § 33 Rn. 27 f.).
Nach § 89 Abs. 1 kann die Annahme eines sittenwidrigen Beitrags zur Insolvenzverschleppung oder einer Rechtshandlung, die mit Gläubigerbenachteiligungsvorsatz vorgenommen wurde, nicht allein auf die Kenntnis der Rechtshängigkeit einer Restrukturierungssache oder der Inanspruchnahme von Restrukturierungsinstrumenten i.S.d. § 29 Abs. 2 gestützt werden.
Tatbestandlicher Anknüpfungspunkt der Regelung sind daher zwei unterschiedliche Fallkonstellationen, die zu einer Haftung der Gläubiger führen könnten und deren Anwendungsbereich für Fälle einer Restrukturierung nach dem StaRUG durch die Vorschrift des § 89 Abs. 1 eingeschränkt werden: den Schutz vor einer Haftung wegen Insolvenzverschleppung und Sittenwidrigkeit (vgl. hierzu 1.) und den Schutz vor Anfechtungen nach den §§ 129 ff. InsO bzw. den Regelungen des Anfechtungsgesetzes (vgl. hierzu 2.).
Zunächst stellt die Haftungsbeschränkung des § 89 Abs. 1 klar, dass eine Haftung der beteiligten Akteure nach der Beantragung eines StaRUG-Verfahrens auf die mögliche Haftung wegen eines „sittenwidrigen Beitrags zur Insolvenzverschleppung“ gemäß §§ 138, 826 BGB begrenzt ist (siehe hierzu bereits die Regelung in § 2 Abs. 1 Nr. 3 COVInsAG).
Eine solche Haftung kann z.B. die Hausbank eines Schuldners betreffen, der vorgeworfen wird, die Stellung eines Insolvenzantrags gezielt hinausgezögert zu haben, um in der so gewonnenen Zeit die von ihr ausgereichten Kredite zurückzuführen oder neue Sicherheiten für alte Kredite zu erlangen (MüKo-BGB/Wagner, § 826 Rn. 173). Nach der BGH-Rechtsprechung liegt eine Beihilfe Insolvenzverschleppung dann vor, wenn ein Kreditgeber um eigener Vorteile willen die letztlich unvermeidliche Insolvenz eines Unternehmens nur hinausschiebt, indem er Kredite gewährt, die nicht zur Sanierung, sondern nur dazu ausreichen, den Zusammenbruch zu verzögern, wenn hierdurch andere Gläubiger über die Kreditfähigkeit des Unternehmens getäuscht und geschädigt werden sowie der Kreditgeber sich dieser Erkenntnis mindestens leichtfertig verschließt (BGH, NJW 1995, S. 1668). In diesen Fällen ist der Sicherungsübereignungsvertrag in der Regel sittenwidrig gemäß § 138 Abs. 1 BGB und daher nichtig. Eine sittenwidrige Gläubigerbenachteiligung kann auch dann vorliegen, wenn der Schuldner fast sein gesamtes Vermögen zur Sicherung auf einen Gläubiger überträgt und dieses Sicherungsgeschäft unter Begleitumständen abgeschlossen wird, die dazu geeignet und bestimmt sind, andere Gläubiger über die Kreditwürdigkeit zu täuschen und dadurch zur Vergabe weiterer Kredite zu verleiten (vgl. BGH, NJW 1995, S. 1668; BGH, NJW 1998, S. 2592).
Letztendlich kann die Frage der Nichtigkeit des Darlehens oder der Sicherung bereits nach der bisherigen Rechtsprechung nur auf Grund einer umfassenden Gesamtwürdigung des einzelnen Vertrages unter Berücksichtigung aller den Vertrag kennzeichnenden Umstände beurteilt werden, namentlich der objektiven Verhältnisse, unter denen der Vertrag zustande gekommen ist, und seiner Auswirkungen sowie der subjektiven Merkmale wie des verfolgten Zwecks und des zugrunde liegenden Beweggrunds (vgl. BGH, ZInsO 2016, S. 1201 Rn. 42). Gleichwohl stellt § 89 insoweit klar, dass die bloße Beantragung von Restrukturierungsmaßnahmen nach dem StaRUG für einen etwaigen Willen einer vorsätzlichen Gläubigerbenachteiligung oder gar vorsätzlich sittenwidrigen Schädigung der Gläubiger im Rahmen einer derartigen Gesamtbetrachtung für sich genommen kein Indiz sein kann.
Gleiches gilt für die durch den BGH in seiner Entscheidung vom 27.07.2021 (Az. II ZR 164/20) entschiedene Sachverhaltskonstellation, für die der BGH den Grundsatz aufgestellt hat, dass die Haftung wegen einer vorsätzlich herbeigeführten Insolvenzverschleppung auch den GmbH-Geschäftsführer treffen kann, wenn er – wie in dem vom BGH entschiedenen Fall - in der Absicht agiert, das von ihm als unabwendbar erkannte Ende eines Unternehmens so lange wie möglich hinauszuzögern und dabei die Schädigung der Unternehmensgläubiger billigend in Kauf nimmt. Auch insoweit stellt § 89 Abs. 1 klar, dass aus der bloßen Beantragung von Restrukturierungsmaßnahmen gemäß den Regelungen des StaRUG noch nicht auf eine innere Willensrichtung des Geschäftsführers geschlossen werden kann, die auf einen Gläubigerbenachteiligungsvorsatz oder gar den Willen zu einer vorsätzlichen, sittenwidrigen Schädigung der Gläubiger schließen ließe.
Darüber hinaus schützt § 89 Abs. 1 die Beteiligten vor einer Inanspruchnahme aus Anfechtung aufgrund einer „Rechtshandlung, die mit dem Vorsatz einer Benachteiligung der Gläubiger vorgenommen wurde“, sollte die Restrukturierung letztlich scheitern und es zur Eröffnung eines Insolvenzverfahrens kommen. Insoweit betrifft die zweite Konstellation des § 89 Abs. 1 die Situation, die im Falle einer späteren Insolvenzeröffnung zu einer Vorsatzanfechtung nach §§ 129, 133 InsO und außerhalb der Insolvenz nach § 3 AnfG führen könnte. Gemäß §§ 129, 133 InsO ist eine Rechtshandlung anfechtbar, die der Schuldner in den letzten zehn Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag mit dem Vorsatz, seine Gläubiger zu benachteiligen, vorgenommen hat, wenn der andere Teil zur Zeit der Handlung den Vorsatz des Schuldners kannte, wobei § 133 Abs. 2 InsO nach der Einführung des „Gesetzes zur Erhöhung der Rechtssicherheiten bei Anfechtungen nach der Insolvenzordnung und dem Anfechtungsgesetz“ (BT-Drucks. 18/11199) die praktische Anwendbarkeit der Vorsatzanfechtung auf den Zeitraum von vier Jahren vor der Insolvenzantragstellung verkürzt hat.
Sowohl § 133 InsO als auch § 89 StaRUG setzen eine Rechtshandlung voraus. Hierunter ist jedes von einem subjektiven Willen getragene Verhalten erfasst, das rechtliche Wirkungen auslöst und das schuldnerische Vermögen zum Nachteil der Gläubiger verändern kann (vgl. HmbKomm-StaRUG/Henkel, § 89 Rn. 12). Es muss sich gerade um eine Rechtshandlung des Schuldners handeln, was sich zwar nicht aus § 89, wohl aber aus § 133 InsO ergibt (Morgen/Bork, StaRUG, § 89 Rn. 15). Rechtshandlungen Dritter, z.B. Vollstreckungsmaßnahmen, werden von der Privilegierung des Abs. 1 daher nicht erfasst. Im Ergebnis können als für Abs. 1 relevante Rechtshandlungen etwa im Zusammenhang mit Finanzierungen, Zwischenfinanzierungen und Transaktionen vorgenommene Rechtshandlungen des Schuldners genannt werden wie etwa die Aufnahme, Besicherung oder Rückzahlung eines Darlehens sowie die Bestellung und Bezahlung von Waren (HmbKomm-StaRUG/Henkel, § 89 Rn. 13 f.).
Neben § 133 InsO ist die Kenntnis vom Gläubigerbenachteiligungsvorsatz auch in § 3 AnfG Tatbestandsmerkmal, sodass § 89 Abs. 1 auch dort zu berücksichtigen ist.
Der Schutz der Geschäftspartner vor Anfechtungen gemäß §§ 129, 133 InsO bzw. § 3 AnfG und einer Haftung wegen Sittenwidrigkeit gemäß §§ 138, 826 BGB greift dann ein, wenn der Schuldner und der potenzielle Anfechtungsgegner Kenntnis von der rechtshängigen Restrukturierungssache bzw. der Inanspruchnahme von Instrumenten des Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmens hatten. Hierbei ist unerheblich, auf welche Art und Weise Kenntnis erlangt wurde (HmbKomm-StaRUG/Henkel, § 89 Rn. 21 f.). Rechtshängig wird die Restrukturierungssache gemäß § 31 Abs. 3 mit der Anzeige des Restrukturierungsvorhabens.
Um die Haftungsrisiken der Gläubiger auszuschließen und ihre Unterstützung des Restrukturierungsvorhabens sicherzustellen, sieht § 89 Abs. 1 vor, dass eine Haftung wegen Sittenverstoßes oder eine Anfechtbarkeit nach §§ 129, 133 InsO nicht allein durch die Rechtshängigkeit der Restrukturierungssache oder die Inanspruchnahme der Instrumente des Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmens durch den Schuldner zu begründen ist.
In Bezug auf den in Abs. 1 enthaltenen Anfechtungsschutz ist insoweit festzustellen, dass der Anfechtungstatbestand des § 133 InsO in subjektiver Hinsicht sowohl den Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners als auch die Kenntnis des Gläubigers vom Gläubigerbenachteiligungsvorsatz erfordert. Dabei hat das Gericht gemäß § 286 ZPO eine Gesamtwürdigung aller maßgeblichen Umstände durchzuführen. Die vom BGH entwickelten Beweisanzeichen wie etwa inkongruente Leistungen oder solche unter Zwangsvollstreckungsdruck sind dabei zu berücksichtigen (BGH, ZInsO 2021, S. 554 Rn. 16). Nach der Rechtsprechung des BGH liegt ferner in der Kenntnis des Schuldners von der eigenen Zahlungsunfähigkeit ein gewichtiges Indiz für den Benachteiligungsvorsatz (z.B. BGH, ZInsO 2018, S. 511 Rn. 10). Nach neuerer Rechtsprechung muss nunmehr hinzukommen, dass der Schuldner wusste oder jedenfalls billigend in Kauf nahm, seine übrigen Gläubiger auch zukünftig nicht mehr vollständig befriedigen zu können und dies auch der Gegenseite bekannt war (BGH, ZInsO 2021, S. 1627, Rn. 30 f.).
Da beide Merkmale – Gläubigerbenachteiligungsvorsatz und Kenntnis des anderen Teils hiervon – dem Beweis nur schwer zugänglich sind, sieht § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO insoweit vor, dass die Kenntnis vom Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Gläubigers vermutet wird, wenn der Gläubiger Kenntnis von der (drohenden) Zahlungsunfähigkeit des Schuldners und des Gläubigerbenachteiligungsvorsatzes hatte, wobei die Kenntnis der (nur) drohenden Zahlungsunfähigkeit lediglich bei inkongruenten Deckungshandlungen ausreicht.
Bei kongruenten Handlungen ist hingegen nach § 133 Abs. 3 Satz 1 InsO die eingetretene Zahlungsunfähigkeit erforderlich. Die Kenntnis der (drohenden) Zahlungsunfähigkeit indiziert allerdings die Kenntnis der Gläubigerbenachteiligung, wenn der Gläubiger nicht davon ausgehen konnte, alleiniger Gläubiger des Schuldners zu sein (Uhlenbruck/Borries/Hirte, § 133 Rn. 77).
In Anwendung dieser Vermutungsregeln hätten die beteiligten Gläubiger bei einer Restrukturierungssache, die schließlich gemäß § 29 Abs. 1 eine drohende Zahlungsunfähigkeit voraussetzt, Kenntnis der drohenden Zahlungsunfähigkeit und mithin des Gläubigerbenachteiligungsvorsatzes, und wären dadurch einer verschärften Anfechtungsgefahr ausgesetzt.
Nach § 89 Abs. 1 kann die Vorsatzanfechtung daher nicht allein darauf gestützt werden, dass ein Beteiligter Kenntnis von der Restrukturierungssache hatte. Das alleinige Indiz der Kenntnis von der Restrukturierungssache darf daher bei der Ermittlung der subjektiven Tatbestandsseite des § 133 InsO kraft gesetzlicher Anordnung nicht berücksichtigt werden (Bork, ZInsO 2020, S. 2177, 2178). Alle weiteren für einen Benachteiligungsvorsatz oder eine Kenntnis des anderen Teils hiervon sprechenden Indizien dürfen jedoch weiterhin berücksichtigt werde
Vor diesem Hintergrund ist die Regelung des Abs. 1 insgesamt so auszulegen, dass die Kenntnis des Gläubigerbenachteiligungsvorsatzes nur dann bewiesen werden kann, wenn weitere Beweisanzeichen, die auch außerhalb des Restrukturierungsverfahrens für einen Anfechtungsanspruch angenommen werden können, vorliegen.
In Bezug auf den Schutz der Geschäftspartner des Schuldners vor einer Inanspruchnahme wegen Sittenwidrigkeit gemäß §§ 138, 826 BGB gelten diese Erwägungen im Wesentlichen entsprechend. Deshalb bleibt auch bei der im Rahmen der §§ 138, 826 BGB vorzunehmenden Gesamtabwägung sämtlicher Indizien die Kenntnis eines Beteiligten von der Restrukturierungssache außer Betracht (HmbKomm-StaRUG/Henkel, § 89 Rn. 43).
Nach § 32 Abs. 3 InsO ist der Schuldner verpflichtet, dem Restrukturierungsgericht nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder – sofern Eröffnungsgrund – die Überschuldung „unverzüglich“ anzuzeigen. § 89 Abs. 2 erweitert insoweit die haftungsausschließende Regelung des Abs. 1 auf den Fall, dass das Gericht trotz Eintritts der Insolvenzreife nach § 33 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 von einer Aufhebung der Restrukturierungssache absieht (siehe § 33 Rn. 27 f.). Dies ist möglich, wenn
die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens mit Blick auf den erreichten Stand in der Restrukturierungssache offensichtlich nicht im Interesse der Gesamtheit der Gläubiger liegen würde, oder wenn
die Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung aus der Kündigung oder sonstigen Fälligstellung einer Forderung resultiert, die nach dem angezeigten Restrukturierungskonzept einer Gestaltung durch den Plan unterworfen werden soll, sofern die Erreichung des Restrukturierungsziels überwiegend wahrscheinlich ist.
Auch in dieser Situation könnte die Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit und/oder Überschuldung zu einer Haftung wegen sittenwidrigen Beitrags zur Insolvenzverschleppung oder zu einer Anfechtung wegen vorsätzlicher Gläubigerbenachteiligung führen. Um dies zu vermeiden, gilt das Verbot nach Abs. 1, die Haftungs- und Anfechtungstatbestände allein auf diese Kenntnis der Restrukturierungssache zu stützen, auch für die Kenntnis der Insolvenzreife. Es wäre sonst widersprüchlich, Geschäftspartner des Schuldners allein deshalb einem erhöhten Haftungs- oder Anfechtungsrisiko auszusetzen, weil sie Kenntnis von einer Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung hatten, obwohl das Restrukturierungsgericht nach Prüfung zu dem Ergebnis gekommen ist, dass eine Beendigung der Restrukturierungssache gerade nicht im Interesse der Gläubigergesamtheit lag (BT-Drucks. 19/24181, S. 182).
Für den Schutz der Geschäftspartner ist es erforderlich, dass die Insolvenzreife angezeigt wird, wozu der Schuldner wie erwähnt nach § 32 Abs. 3 verpflichtet ist. Für die Rechtsprechung bleibt zu klären, ob die Anzeige gerade durch den Schuldner zu erfolgen hat oder ob es ausreicht, dass das Gericht aus anderen Quellen von der Insolvenzreife des Schuldners erfährt. Nach einer Auffassung soll § 89 Abs. 2 nicht anzuwenden sein, wenn der Schuldner die Insolvenzreife nicht anzeigt und das Restrukturierungsgericht lediglich auf anderem Wege hiervon erfährt (HmbKomm-StaRUG/Henkel, § 89 Rn. 46; Skauradszun/Fridgen/Fridgen, StaRUG, § 89 Rn. 23). Für die Schutzbedürftigkeit der Geschäftspartner dürfte es indes keinen Unterschied machen, aufgrund welcher Informationen das Restrukturierungsgericht von einer Aufhebung des Restrukturierungsverfahrens absieht. Hierfür streitet auch der Wortlaut des § 89 Abs. 2, der ohne Hinweis auf die Urheberschaft lediglich eine „Anzeige“ erwähnt (so auch Morgen/Bork, StaRUG, § 89 Rn. 35). Jedenfalls sollte ein Beteiligter, der von der Insolvenzreife Kenntnis erlangt, den Schuldner zur Anzeige der Insolvenzreife anhalten, um sich auf dem Schutz des § 89 Abs. 2 berufen zu können (Skauradszun/Fridgen/Fridgen, StaRUG, § 89 Rn. 23)
§ 89 Abs. 2 ist nicht anzuwenden, wenn das Gericht die Restrukturierungssache im Nachgang zur Anzeige des Schuldners gemäß § 33 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Halbs. 1 aufhebt (HmbKomm-StaRUG/Henkel, § 89 Rn. 46).
Nach § 89 Abs. 2 reicht die Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung nicht aus, um einen sittenwidrigen Beitrag zur Insolvenzverschleppung (§§ 138, 826 BGB) oder eine Anfechtung gemäß § 133 InsO anzunehmen. Im Zusammenhang mit der Vorsatzanfechtung wird die Kenntnis des anderen Teils vom Gläubigerbenachteiligungsvorsatz nach § 133 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 Satz 1 InsO gesetzlich vermutet, wenn dieser wusste, dass der Schuldner zahlungsunfähig ist und die Handlung die Gläubiger benachteiligte.
Insoweit ist nach § 89 Abs. 2 vorgesehen, dass die Kenntnis des potenziellen Anfechtungsgegners und des Schuldners von der Zahlungsunfähigkeit für diejenigen Rechtshandlungen, die im Rahmen des Restrukturierungsvorhabens vorgenommen wurden, bei der Frage, ob ein Gläubigerbenachteiligungsvorsatz und die Kenntnis der Gegenseite hiervon vorlag, bei einer späteren Insolvenzanfechtung nach dem Scheitern der Restrukturierungsbemühungen nicht berücksichtigt werden darf. In der Praxis ist dieser Umstand bei kongruenten Handlungen regelmäßig das entscheidende Kriterium, sodass eine Anfechtung von kongruenten Rechtshandlungen im Anwendungsbereich des § 89 Abs. 2 stets ausgeschlossen sein dürfte (HmbKomm-StaRUG/Henkel, § 89 Rn. 49). Anders verhält sich dies bei inkongruenten Handlungen, da die Inkongruenz selbst ein Indiz darstellt (Uhlenbruck/Borries/Hirte, § 133 Rn. 99 f.). Darüber hinaus greift der Vermutungstatbestand des § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO nur bei Inkongruenz, ist bereits bei drohender Zahlungsunfähigkeit anwendbar und durch § 89 Abs. 2 InsO nicht ausgeschlossen (HmbKomm-StaRUG/Henkel, § 89 Rn. 49). Bei dem Eintritt einer Zahlungsunfähigkeit wird das Restrukturierungsgericht ohnehin in der Regel das StaRUG-Verfahren aufheben und ins Insolvenzverfahren übergehen.
Der Rechtsprechung bleibt die Klärung überlassen, ob sich die Privilegierung des § 89 Abs. 2 auch auf die anderen Anfechtungstatbestände der §§ 130, 131 InsO bezieht (so Schoppmeyer, ZIP 2021, S. 869, 876; in dieselbe Richtung auch Flöther/Hoegen/Herding, StaRUG, § 89 Rn. 53) oder wie § 89 Abs. 1 auf die Vorsatzanfechtung nach § 133 InsO beschränkt ist (HmbKomm-StaRUG/Henkel, § 89 Rn. 50; Skauradszun/Fridgen/Fridgen, StaRUG, § 89 Rn. 30b). Für eine Beschränkung auf die Vorsatzanfechtung spricht jedenfalls der Wortlaut des § 89 Abs. 2, der sich ausdrücklich auf den Abs. 1 bezieht.
Gemäß § 15b Abs. 1 InsO dürfen Geschäftsleiter nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder der Überschuldung keine Zahlungen mehr vornehmen, es sei denn, die Zahlungen sind mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters vereinbar. Diese Haftung wird durch einen Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen, der schließlich nur bei drohender Zahlungsunfähigkeit zur Verfügung steht, grundsätzlich nicht tangiert. Tritt im Laufe der Restrukturierungssache allerdings Insolvenzreife ein, ist dieses dem Gericht anzuzeigen, welches die Restrukturierungssache in der Regel aufhebt, um den Vorrang des Insolvenzverfahrens sicherzustellen.
Von der Aufhebung der Restrukturierungssache sieht § 33 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 eine Ausnahme vor, wenn die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens mit Blick auf den erreichten Stand in der Restrukturierungssache offensichtlich nicht im Interesse der Gesamtheit der Gläubiger liegen würde. Gemeint laut Gesetzesbegründung ist der Fall, dass die unmittelbar bevorstehende Bestätigung eines bereits angenommenen Plans zur Beseitigung der eingetretenen Insolvenzlage führen würde (BT-Drucks. 19/24181, S. 139).
In diesem Fall wäre es nicht sachgerecht, die Geschäftsleiter zur Umstellung auf die Notgeschäftsführung zu zwingen, weil diese die Sanierung gefährden und damit den Zwecken des § 33 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 zuwiderlaufen könnte.
§ 89 Abs. 3 sieht daher vor, dass bis zur Aufhebung der Restrukturierungssache jede Zahlung im ordnungsgemäßen Geschäftsgang, insbesondere Zahlungen, die für die Fortführung der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit und die Vorbereitung und Umsetzung des angezeigten Restrukturierungsvorhabens erforderlich sind, als mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsleiters vereinbar sind. In diesem Fall entfällt somit eine Haftung nach § 15b InsO, da die betroffenen Zahlungen insoweit privilegiert sind.
Erforderlich ist zunächst, dass der Schuldner die Insolvenzreife bei dem Restrukturierungsgericht anzeigt. Streitig ist, ob diese Anzeige „unverzüglich“ zu erfolgen hat. Nach einer Auffassung (HmbKomm-StaRUG/Henkel, § 89 Rn. 53) soll dies (ohne Begründung) nicht der Fall sein. Aufgrund des ausdrücklichen Wortlauts des 89 Abs. 3, der auf § 32 Abs. 3 verweist, nach dem die Anzeige ausdrücklich unverzüglich zu erfolgen hat, dürfte jedoch davon auszugehen sein, dass die Privilegierungswirkung des § 89 Abs. 3 demjenigen Geschäftsleiter, der die Insolvenzreife nicht unverzüglich anzeigt, nicht zugutekommt (so auch Skauradszun/Fridgen/Fridgen, StaRUG, § 89 Rn. 43; Flöther/Hoegen/Herding, StaRUG, § 89 Rn. 66). Unverzüglichkeit liegt im Sinne des § 121 BGB vor, wenn die Anzeige ohne schuldhaftes Zögern erfolgt.
Nach § 89 Abs. 3 sind nur solche Zahlungen privilegiert, die im ordnungsgemäßen Geschäftsgang stattfinden, insbesondere Zahlungen, die für die Fortführung der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit und die Vorbereitung und Umsetzung des angezeigten Restrukturierungsvorhabens erforderlich sind. Diese gelten insoweit als mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsleiters vereinbar.
Zu den Zahlungen mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsleiters zählen die zur Erhaltung der Sanierungschancen erforderlichen Leistungen wie etwa Strom und Telefon aber auch Marketingmaßnahmen oder die Bedienung von Löhnen (Skauradszun/Fridgen/Fridgen, StaRUG, § 89 Rn. 37). Ausweislich des Gesetzestextes gehören hierzu daneben aber auch Zahlungen zur Umsetzung des angezeigten Restrukturierungsvorhabens. Dies betrifft beispielsweise Honorare für die im Rahmen der Restrukturierung eingesetzten Berater oder Kosten für Personalmaßnahmen (Skauradszun/Fridgen/Fridgen, StaRUG, § 89 Rn. 38).
Die Zahlungen müssen ferner zur Erreichung der genannten Zwecke erforderlich sein. Bislang nicht geklärt ist, ob hierzu auch Leistungen des Schuldners gehören, bei denen der Vertragspartner bereits vollständig in Vorleistung getreten ist (dafür etwa HmbKomm-StaRUG/Henkel, § 89 Rn. 54; dagegen: Skauradszun/Fridgen/Fridgen, StaRUG, § 89 Rn. 39). Jedenfalls dann aber, wenn die Geschäftsverbindung mit dem Vertragspartner bei Nichtleistung gefährdet wäre, sollte auch dies erforderlich im Sinne der Vorschrift sein (Skauradszun/Fridgen/Fridgen, StaRUG, § 89 Rn. 39).
Zahlungen zwischen dem Eintritt der Insolvenzreife und der Anzeige durch den Schuldner bei Gericht sind nicht nach § 89 Abs. 3 privilegiert. Dies wird durch den Wortlaut der Vorschrift, die voraussetzt, dass der Schuldner die Insolvenzreife angezeigt „hat“, deutlich (Skauradszun/Fridgen/Fridgen, StaRUG, § 89 Rn. 41).
Das Gesetz schränkt den Anwendungsbereich der Privilegierung einzelner Zahlungen ein: § 89 Abs. 3 Satz 2 stellt klar, dass der Zeitraum zwischen der Anzeige der Insolvenzreife bis zur erwarteten gerichtlichen Entscheidung über die Frage, ob die Restrukturierungssache aufgehoben wird oder nicht, nicht genutzt werden darf, um Zahlungen vorzunehmen, die bis zur Entscheidung ohne Nachteile aufgeschoben werden können. Dies folgt bereits aus der Pflicht zur Wahrung des Gesamtgläubigerinteresses (BT-Drucks. 19/24181, S. 182). Welche Zahlungen aufschiebbar sind, lässt sich dabei nicht allgemein feststellen. Vielmehr ist eine einzelfallbezogene Beurteilung – mit den damit verbundenen Unwägbarkeiten – unerlässlich.
Im Hinblick auf § 89 Abs. 1 gilt, dass der Insolvenzverwalter bzw. Sachwalter die Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung darzulegen und zu beweisen hat. Hierbei müssen die in § 89 Abs. 1 genannten Indizien – Kenntnis von der Rechtshängigkeit der Restrukturierungssache oder von der Inanspruchnahme von Instrumenten des Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmens – außer Betracht bleiben (HmbKomm-StaRUG/Henkel, § 89 Rn. 58).
Im Rahmen von § 89 Abs. 2 muss der Anfechtungsgegner bzw. Beteiligte an einer sittenwidrigen Finanzierung die Tatbestandsvoraussetzungen beweisen. Dieser hat daher zu beweisen, dass eine Restrukturierungssache rechtshängig war, eine Anzeige der Insolvenzreife durch den Schuldner erfolgt ist und das Gericht die Restrukturierungssache nicht aufgehoben hat.
Schließlich muss bei § 89 Abs. 3 der Anfechtungsgegner beweisen, dass der Schuldner die Insolvenzreife angezeigt hat, die Restrukturierungssache im fraglichen Zeitpunkt noch nicht aufgehoben war und diese Zahlung im ordnungsgemäßen Geschäftsgang erfolgte. Der Insolvenzverwalter bzw. Sachwalter als potenzielle Kläger müssen die Einschränkung nach § 89 Abs. 3 Satz 2 beweisen, namentlich, dass die streitgegenständliche Zahlung hätte zurückgehalten werden können (Morgen/Bork, StaRUG, § 89 Rn. 54).
§ 89 regelt in Umsetzung des Art. 17 und 18 der Richtlinie (EU) 2019/1023 die Auswirkung einer Restrukturierungssache auf die insolvenzrechtliche Anfechtung (§§ 129 ff. InsO), auf die Insolvenzverschleppung sowie auf die Haftung von Geschäftsleitern wegen Zahlungen nach Eintritt der Insolvenzreife (§§ 15a, 15b InsO). Zur Umsetzung eines funktionsfähigen Sanierungskonzepts ist der Schuldner regelmäßig auf finanzielle Unterstützung und Beratung angewiesen (Stohrer, ZInsO 2018, S. 660, 667). Demgegenüber stellt eine etwaige Anfechtbarkeit insbesondere von Sicherungsgeschäften des Schuldners ein mögliches Risiko für diejenigen dar, die dem Schuldner bei seinem Sanierungsvorhaben finanziell zur Seite stehen wollen. Es geht folglich maßgeblich darum, das Vertrauen potenzieller Geschäftspartner des Schuldners auf die Rechtssicherheit und Insolvenzfestigkeit der mit dem Schuldner abgeschlossenen Geschäfte zu stärken (Morgen/Bork, StaRUG, § 89 Rn. 3).
Die Regelung soll daher zum einen verhindern, dass die Geschäftspartner des Schuldners nach Inanspruchnahme von Restrukturierungsinstrumenten ihre Geschäftsbeziehung überdenken, um etwaige Anfechtungs- und Haftungsrisiken zu vermeiden, die sich im Falle eines späteren Insolvenzverfahrens ergeben könnten (BT-Drucks. 19/24181, S. 181). Zu diesem Zweck reicht nach Abs. 1 und 2 die bloße Kenntnis einer Restrukturierungssache oder unter Umständen sogar der Insolvenzreife nicht aus, um einen sittenwidrigen Beitrag zur Insolvenzverschleppung oder eine mit Gläubigerbenachteiligungsvorsatz vorgenommene anfechtbare Rechtshandlung anzunehmen. Hierdurch soll Rechtssicherheit für neue Finanzierungen und Zwischenfinanzierungen sichergestellt werden.
Zum anderen normiert Abs. 3 eine Ausnahme zur Haftung der Geschäftsleiter für Zahlungen bei Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung, wenn das Gericht trotz Insolvenzreife von einer Aufhebung der Restrukturierungssache gemäß § 33 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 (zunächst) absieht (siehe § 33 Rn. 27 f.).
Nach § 89 Abs. 1 kann die Annahme eines sittenwidrigen Beitrags zur Insolvenzverschleppung oder einer Rechtshandlung, die mit Gläubigerbenachteiligungsvorsatz vorgenommen wurde, nicht allein auf die Kenntnis der Rechtshängigkeit einer Restrukturierungssache oder der Inanspruchnahme von Restrukturierungsinstrumenten i.S.d. § 29 Abs. 2 gestützt werden.
Tatbestandlicher Anknüpfungspunkt der Regelung sind daher zwei unterschiedliche Fallkonstellationen, die zu einer Haftung der Gläubiger führen könnten und deren Anwendungsbereich für Fälle einer Restrukturierung nach dem StaRUG durch die Vorschrift des § 89 Abs. 1 eingeschränkt werden: den Schutz vor einer Haftung wegen Insolvenzverschleppung und Sittenwidrigkeit (vgl. hierzu 1.) und den Schutz vor Anfechtungen nach den §§ 129 ff. InsO bzw. den Regelungen des Anfechtungsgesetzes (vgl. hierzu 2.).
Zunächst stellt die Haftungsbeschränkung des § 89 Abs. 1 klar, dass eine Haftung der beteiligten Akteure nach der Beantragung eines StaRUG-Verfahrens auf die mögliche Haftung wegen eines „sittenwidrigen Beitrags zur Insolvenzverschleppung“ gemäß §§ 138, 826 BGB begrenzt ist (siehe hierzu bereits die Regelung in § 2 Abs. 1 Nr. 3 COVInsAG).
Eine solche Haftung kann z.B. die Hausbank eines Schuldners betreffen, der vorgeworfen wird, die Stellung eines Insolvenzantrags gezielt hinausgezögert zu haben, um in der so gewonnenen Zeit die von ihr ausgereichten Kredite zurückzuführen oder neue Sicherheiten für alte Kredite zu erlangen (MüKo-BGB/Wagner, § 826 Rn. 173). Nach der BGH-Rechtsprechung liegt eine Beihilfe Insolvenzverschleppung dann vor, wenn ein Kreditgeber um eigener Vorteile willen die letztlich unvermeidliche Insolvenz eines Unternehmens nur hinausschiebt, indem er Kredite gewährt, die nicht zur Sanierung, sondern nur dazu ausreichen, den Zusammenbruch zu verzögern, wenn hierdurch andere Gläubiger über die Kreditfähigkeit des Unternehmens getäuscht und geschädigt werden sowie der Kreditgeber sich dieser Erkenntnis mindestens leichtfertig verschließt (BGH, NJW 1995, S. 1668). In diesen Fällen ist der Sicherungsübereignungsvertrag in der Regel sittenwidrig gemäß § 138 Abs. 1 BGB und daher nichtig. Eine sittenwidrige Gläubigerbenachteiligung kann auch dann vorliegen, wenn der Schuldner fast sein gesamtes Vermögen zur Sicherung auf einen Gläubiger überträgt und dieses Sicherungsgeschäft unter Begleitumständen abgeschlossen wird, die dazu geeignet und bestimmt sind, andere Gläubiger über die Kreditwürdigkeit zu täuschen und dadurch zur Vergabe weiterer Kredite zu verleiten (vgl. BGH, NJW 1995, S. 1668; BGH, NJW 1998, S. 2592).
Letztendlich kann die Frage der Nichtigkeit des Darlehens oder der Sicherung bereits nach der bisherigen Rechtsprechung nur auf Grund einer umfassenden Gesamtwürdigung des einzelnen Vertrages unter Berücksichtigung aller den Vertrag kennzeichnenden Umstände beurteilt werden, namentlich der objektiven Verhältnisse, unter denen der Vertrag zustande gekommen ist, und seiner Auswirkungen sowie der subjektiven Merkmale wie des verfolgten Zwecks und des zugrunde liegenden Beweggrunds (vgl. BGH, ZInsO 2016, S. 1201 Rn. 42). Gleichwohl stellt § 89 insoweit klar, dass die bloße Beantragung von Restrukturierungsmaßnahmen nach dem StaRUG für einen etwaigen Willen einer vorsätzlichen Gläubigerbenachteiligung oder gar vorsätzlich sittenwidrigen Schädigung der Gläubiger im Rahmen einer derartigen Gesamtbetrachtung für sich genommen kein Indiz sein kann.
Gleiches gilt für die durch den BGH in seiner Entscheidung vom 27.07.2021 (Az. II ZR 164/20) entschiedene Sachverhaltskonstellation, für die der BGH den Grundsatz aufgestellt hat, dass die Haftung wegen einer vorsätzlich herbeigeführten Insolvenzverschleppung auch den GmbH-Geschäftsführer treffen kann, wenn er – wie in dem vom BGH entschiedenen Fall - in der Absicht agiert, das von ihm als unabwendbar erkannte Ende eines Unternehmens so lange wie möglich hinauszuzögern und dabei die Schädigung der Unternehmensgläubiger billigend in Kauf nimmt. Auch insoweit stellt § 89 Abs. 1 klar, dass aus der bloßen Beantragung von Restrukturierungsmaßnahmen gemäß den Regelungen des StaRUG noch nicht auf eine innere Willensrichtung des Geschäftsführers geschlossen werden kann, die auf einen Gläubigerbenachteiligungsvorsatz oder gar den Willen zu einer vorsätzlichen, sittenwidrigen Schädigung der Gläubiger schließen ließe.
Darüber hinaus schützt § 89 Abs. 1 die Beteiligten vor einer Inanspruchnahme aus Anfechtung aufgrund einer „Rechtshandlung, die mit dem Vorsatz einer Benachteiligung der Gläubiger vorgenommen wurde“, sollte die Restrukturierung letztlich scheitern und es zur Eröffnung eines Insolvenzverfahrens kommen. Insoweit betrifft die zweite Konstellation des § 89 Abs. 1 die Situation, die im Falle einer späteren Insolvenzeröffnung zu einer Vorsatzanfechtung nach §§ 129, 133 InsO und außerhalb der Insolvenz nach § 3 AnfG führen könnte. Gemäß §§ 129, 133 InsO ist eine Rechtshandlung anfechtbar, die der Schuldner in den letzten zehn Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag mit dem Vorsatz, seine Gläubiger zu benachteiligen, vorgenommen hat, wenn der andere Teil zur Zeit der Handlung den Vorsatz des Schuldners kannte, wobei § 133 Abs. 2 InsO nach der Einführung des „Gesetzes zur Erhöhung der Rechtssicherheiten bei Anfechtungen nach der Insolvenzordnung und dem Anfechtungsgesetz“ (BT-Drucks. 18/11199) die praktische Anwendbarkeit der Vorsatzanfechtung auf den Zeitraum von vier Jahren vor der Insolvenzantragstellung verkürzt hat.
Sowohl § 133 InsO als auch § 89 StaRUG setzen eine Rechtshandlung voraus. Hierunter ist jedes von einem subjektiven Willen getragene Verhalten erfasst, das rechtliche Wirkungen auslöst und das schuldnerische Vermögen zum Nachteil der Gläubiger verändern kann (vgl. HmbKomm-StaRUG/Henkel, § 89 Rn. 12). Es muss sich gerade um eine Rechtshandlung des Schuldners handeln, was sich zwar nicht aus § 89, wohl aber aus § 133 InsO ergibt (Morgen/Bork, StaRUG, § 89 Rn. 15). Rechtshandlungen Dritter, z.B. Vollstreckungsmaßnahmen, werden von der Privilegierung des Abs. 1 daher nicht erfasst. Im Ergebnis können als für Abs. 1 relevante Rechtshandlungen etwa im Zusammenhang mit Finanzierungen, Zwischenfinanzierungen und Transaktionen vorgenommene Rechtshandlungen des Schuldners genannt werden wie etwa die Aufnahme, Besicherung oder Rückzahlung eines Darlehens sowie die Bestellung und Bezahlung von Waren (HmbKomm-StaRUG/Henkel, § 89 Rn. 13 f.).
Neben § 133 InsO ist die Kenntnis vom Gläubigerbenachteiligungsvorsatz auch in § 3 AnfG Tatbestandsmerkmal, sodass § 89 Abs. 1 auch dort zu berücksichtigen ist.
Der Schutz der Geschäftspartner vor Anfechtungen gemäß §§ 129, 133 InsO bzw. § 3 AnfG und einer Haftung wegen Sittenwidrigkeit gemäß §§ 138, 826 BGB greift dann ein, wenn der Schuldner und der potenzielle Anfechtungsgegner Kenntnis von der rechtshängigen Restrukturierungssache bzw. der Inanspruchnahme von Instrumenten des Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmens hatten. Hierbei ist unerheblich, auf welche Art und Weise Kenntnis erlangt wurde (HmbKomm-StaRUG/Henkel, § 89 Rn. 21 f.). Rechtshängig wird die Restrukturierungssache gemäß § 31 Abs. 3 mit der Anzeige des Restrukturierungsvorhabens.
Um die Haftungsrisiken der Gläubiger auszuschließen und ihre Unterstützung des Restrukturierungsvorhabens sicherzustellen, sieht § 89 Abs. 1 vor, dass eine Haftung wegen Sittenverstoßes oder eine Anfechtbarkeit nach §§ 129, 133 InsO nicht allein durch die Rechtshängigkeit der Restrukturierungssache oder die Inanspruchnahme der Instrumente des Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmens durch den Schuldner zu begründen ist.
In Bezug auf den in Abs. 1 enthaltenen Anfechtungsschutz ist insoweit festzustellen, dass der Anfechtungstatbestand des § 133 InsO in subjektiver Hinsicht sowohl den Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners als auch die Kenntnis des Gläubigers vom Gläubigerbenachteiligungsvorsatz erfordert. Dabei hat das Gericht gemäß § 286 ZPO eine Gesamtwürdigung aller maßgeblichen Umstände durchzuführen. Die vom BGH entwickelten Beweisanzeichen wie etwa inkongruente Leistungen oder solche unter Zwangsvollstreckungsdruck sind dabei zu berücksichtigen (BGH, ZInsO 2021, S. 554 Rn. 16). Nach der Rechtsprechung des BGH liegt ferner in der Kenntnis des Schuldners von der eigenen Zahlungsunfähigkeit ein gewichtiges Indiz für den Benachteiligungsvorsatz (z.B. BGH, ZInsO 2018, S. 511 Rn. 10). Nach neuerer Rechtsprechung muss nunmehr hinzukommen, dass der Schuldner wusste oder jedenfalls billigend in Kauf nahm, seine übrigen Gläubiger auch zukünftig nicht mehr vollständig befriedigen zu können und dies auch der Gegenseite bekannt war (BGH, ZInsO 2021, S. 1627, Rn. 30 f.).
Da beide Merkmale – Gläubigerbenachteiligungsvorsatz und Kenntnis des anderen Teils hiervon – dem Beweis nur schwer zugänglich sind, sieht § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO insoweit vor, dass die Kenntnis vom Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Gläubigers vermutet wird, wenn der Gläubiger Kenntnis von der (drohenden) Zahlungsunfähigkeit des Schuldners und des Gläubigerbenachteiligungsvorsatzes hatte, wobei die Kenntnis der (nur) drohenden Zahlungsunfähigkeit lediglich bei inkongruenten Deckungshandlungen ausreicht.
Bei kongruenten Handlungen ist hingegen nach § 133 Abs. 3 Satz 1 InsO die eingetretene Zahlungsunfähigkeit erforderlich. Die Kenntnis der (drohenden) Zahlungsunfähigkeit indiziert allerdings die Kenntnis der Gläubigerbenachteiligung, wenn der Gläubiger nicht davon ausgehen konnte, alleiniger Gläubiger des Schuldners zu sein (Uhlenbruck/Borries/Hirte, § 133 Rn. 77).
In Anwendung dieser Vermutungsregeln hätten die beteiligten Gläubiger bei einer Restrukturierungssache, die schließlich gemäß § 29 Abs. 1 eine drohende Zahlungsunfähigkeit voraussetzt, Kenntnis der drohenden Zahlungsunfähigkeit und mithin des Gläubigerbenachteiligungsvorsatzes, und wären dadurch einer verschärften Anfechtungsgefahr ausgesetzt.
Nach § 89 Abs. 1 kann die Vorsatzanfechtung daher nicht allein darauf gestützt werden, dass ein Beteiligter Kenntnis von der Restrukturierungssache hatte. Das alleinige Indiz der Kenntnis von der Restrukturierungssache darf daher bei der Ermittlung der subjektiven Tatbestandsseite des § 133 InsO kraft gesetzlicher Anordnung nicht berücksichtigt werden (Bork, ZInsO 2020, S. 2177, 2178). Alle weiteren für einen Benachteiligungsvorsatz oder eine Kenntnis des anderen Teils hiervon sprechenden Indizien dürfen jedoch weiterhin berücksichtigt werde
Vor diesem Hintergrund ist die Regelung des Abs. 1 insgesamt so auszulegen, dass die Kenntnis des Gläubigerbenachteiligungsvorsatzes nur dann bewiesen werden kann, wenn weitere Beweisanzeichen, die auch außerhalb des Restrukturierungsverfahrens für einen Anfechtungsanspruch angenommen werden können, vorliegen.
In Bezug auf den Schutz der Geschäftspartner des Schuldners vor einer Inanspruchnahme wegen Sittenwidrigkeit gemäß §§ 138, 826 BGB gelten diese Erwägungen im Wesentlichen entsprechend. Deshalb bleibt auch bei der im Rahmen der §§ 138, 826 BGB vorzunehmenden Gesamtabwägung sämtlicher Indizien die Kenntnis eines Beteiligten von der Restrukturierungssache außer Betracht (HmbKomm-StaRUG/Henkel, § 89 Rn. 43).
Nach § 32 Abs. 3 InsO ist der Schuldner verpflichtet, dem Restrukturierungsgericht nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder – sofern Eröffnungsgrund – die Überschuldung „unverzüglich“ anzuzeigen. § 89 Abs. 2 erweitert insoweit die haftungsausschließende Regelung des Abs. 1 auf den Fall, dass das Gericht trotz Eintritts der Insolvenzreife nach § 33 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 von einer Aufhebung der Restrukturierungssache absieht (siehe § 33 Rn. 27 f.). Dies ist möglich, wenn
Auch in dieser Situation könnte die Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit und/oder Überschuldung zu einer Haftung wegen sittenwidrigen Beitrags zur Insolvenzverschleppung oder zu einer Anfechtung wegen vorsätzlicher Gläubigerbenachteiligung führen. Um dies zu vermeiden, gilt das Verbot nach Abs. 1, die Haftungs- und Anfechtungstatbestände allein auf diese Kenntnis der Restrukturierungssache zu stützen, auch für die Kenntnis der Insolvenzreife. Es wäre sonst widersprüchlich, Geschäftspartner des Schuldners allein deshalb einem erhöhten Haftungs- oder Anfechtungsrisiko auszusetzen, weil sie Kenntnis von einer Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung hatten, obwohl das Restrukturierungsgericht nach Prüfung zu dem Ergebnis gekommen ist, dass eine Beendigung der Restrukturierungssache gerade nicht im Interesse der Gläubigergesamtheit lag (BT-Drucks. 19/24181, S. 182).
Für den Schutz der Geschäftspartner ist es erforderlich, dass die Insolvenzreife angezeigt wird, wozu der Schuldner wie erwähnt nach § 32 Abs. 3 verpflichtet ist. Für die Rechtsprechung bleibt zu klären, ob die Anzeige gerade durch den Schuldner zu erfolgen hat oder ob es ausreicht, dass das Gericht aus anderen Quellen von der Insolvenzreife des Schuldners erfährt. Nach einer Auffassung soll § 89 Abs. 2 nicht anzuwenden sein, wenn der Schuldner die Insolvenzreife nicht anzeigt und das Restrukturierungsgericht lediglich auf anderem Wege hiervon erfährt (HmbKomm-StaRUG/Henkel, § 89 Rn. 46; Skauradszun/Fridgen/Fridgen, StaRUG, § 89 Rn. 23). Für die Schutzbedürftigkeit der Geschäftspartner dürfte es indes keinen Unterschied machen, aufgrund welcher Informationen das Restrukturierungsgericht von einer Aufhebung des Restrukturierungsverfahrens absieht. Hierfür streitet auch der Wortlaut des § 89 Abs. 2, der ohne Hinweis auf die Urheberschaft lediglich eine „Anzeige“ erwähnt (so auch Morgen/Bork, StaRUG, § 89 Rn. 35). Jedenfalls sollte ein Beteiligter, der von der Insolvenzreife Kenntnis erlangt, den Schuldner zur Anzeige der Insolvenzreife anhalten, um sich auf dem Schutz des § 89 Abs. 2 berufen zu können (Skauradszun/Fridgen/Fridgen, StaRUG, § 89 Rn. 23)
§ 89 Abs. 2 ist nicht anzuwenden, wenn das Gericht die Restrukturierungssache im Nachgang zur Anzeige des Schuldners gemäß § 33 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Halbs. 1 aufhebt (HmbKomm-StaRUG/Henkel, § 89 Rn. 46).
Nach § 89 Abs. 2 reicht die Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung nicht aus, um einen sittenwidrigen Beitrag zur Insolvenzverschleppung (§§ 138, 826 BGB) oder eine Anfechtung gemäß § 133 InsO anzunehmen. Im Zusammenhang mit der Vorsatzanfechtung wird die Kenntnis des anderen Teils vom Gläubigerbenachteiligungsvorsatz nach § 133 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 Satz 1 InsO gesetzlich vermutet, wenn dieser wusste, dass der Schuldner zahlungsunfähig ist und die Handlung die Gläubiger benachteiligte.
Insoweit ist nach § 89 Abs. 2 vorgesehen, dass die Kenntnis des potenziellen Anfechtungsgegners und des Schuldners von der Zahlungsunfähigkeit für diejenigen Rechtshandlungen, die im Rahmen des Restrukturierungsvorhabens vorgenommen wurden, bei der Frage, ob ein Gläubigerbenachteiligungsvorsatz und die Kenntnis der Gegenseite hiervon vorlag, bei einer späteren Insolvenzanfechtung nach dem Scheitern der Restrukturierungsbemühungen nicht berücksichtigt werden darf. In der Praxis ist dieser Umstand bei kongruenten Handlungen regelmäßig das entscheidende Kriterium, sodass eine Anfechtung von kongruenten Rechtshandlungen im Anwendungsbereich des § 89 Abs. 2 stets ausgeschlossen sein dürfte (HmbKomm-StaRUG/Henkel, § 89 Rn. 49). Anders verhält sich dies bei inkongruenten Handlungen, da die Inkongruenz selbst ein Indiz darstellt (Uhlenbruck/Borries/Hirte, § 133 Rn. 99 f.). Darüber hinaus greift der Vermutungstatbestand des § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO nur bei Inkongruenz, ist bereits bei drohender Zahlungsunfähigkeit anwendbar und durch § 89 Abs. 2 InsO nicht ausgeschlossen (HmbKomm-StaRUG/Henkel, § 89 Rn. 49). Bei dem Eintritt einer Zahlungsunfähigkeit wird das Restrukturierungsgericht ohnehin in der Regel das StaRUG-Verfahren aufheben und ins Insolvenzverfahren übergehen.
Der Rechtsprechung bleibt die Klärung überlassen, ob sich die Privilegierung des § 89 Abs. 2 auch auf die anderen Anfechtungstatbestände der §§ 130, 131 InsO bezieht (so Schoppmeyer, ZIP 2021, S. 869, 876; in dieselbe Richtung auch Flöther/Hoegen/Herding, StaRUG, § 89 Rn. 53) oder wie § 89 Abs. 1 auf die Vorsatzanfechtung nach § 133 InsO beschränkt ist (HmbKomm-StaRUG/Henkel, § 89 Rn. 50; Skauradszun/Fridgen/Fridgen, StaRUG, § 89 Rn. 30b). Für eine Beschränkung auf die Vorsatzanfechtung spricht jedenfalls der Wortlaut des § 89 Abs. 2, der sich ausdrücklich auf den Abs. 1 bezieht.
Gemäß § 15b Abs. 1 InsO dürfen Geschäftsleiter nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder der Überschuldung keine Zahlungen mehr vornehmen, es sei denn, die Zahlungen sind mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters vereinbar. Diese Haftung wird durch einen Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen, der schließlich nur bei drohender Zahlungsunfähigkeit zur Verfügung steht, grundsätzlich nicht tangiert. Tritt im Laufe der Restrukturierungssache allerdings Insolvenzreife ein, ist dieses dem Gericht anzuzeigen, welches die Restrukturierungssache in der Regel aufhebt, um den Vorrang des Insolvenzverfahrens sicherzustellen.
Von der Aufhebung der Restrukturierungssache sieht § 33 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 eine Ausnahme vor, wenn die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens mit Blick auf den erreichten Stand in der Restrukturierungssache offensichtlich nicht im Interesse der Gesamtheit der Gläubiger liegen würde. Gemeint laut Gesetzesbegründung ist der Fall, dass die unmittelbar bevorstehende Bestätigung eines bereits angenommenen Plans zur Beseitigung der eingetretenen Insolvenzlage führen würde (BT-Drucks. 19/24181, S. 139).
In diesem Fall wäre es nicht sachgerecht, die Geschäftsleiter zur Umstellung auf die Notgeschäftsführung zu zwingen, weil diese die Sanierung gefährden und damit den Zwecken des § 33 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 zuwiderlaufen könnte.
§ 89 Abs. 3 sieht daher vor, dass bis zur Aufhebung der Restrukturierungssache jede Zahlung im ordnungsgemäßen Geschäftsgang, insbesondere Zahlungen, die für die Fortführung der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit und die Vorbereitung und Umsetzung des angezeigten Restrukturierungsvorhabens erforderlich sind, als mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsleiters vereinbar sind. In diesem Fall entfällt somit eine Haftung nach § 15b InsO, da die betroffenen Zahlungen insoweit privilegiert sind.
Erforderlich ist zunächst, dass der Schuldner die Insolvenzreife bei dem Restrukturierungsgericht anzeigt. Streitig ist, ob diese Anzeige „unverzüglich“ zu erfolgen hat. Nach einer Auffassung (HmbKomm-StaRUG/Henkel, § 89 Rn. 53) soll dies (ohne Begründung) nicht der Fall sein. Aufgrund des ausdrücklichen Wortlauts des 89 Abs. 3, der auf § 32 Abs. 3 verweist, nach dem die Anzeige ausdrücklich unverzüglich zu erfolgen hat, dürfte jedoch davon auszugehen sein, dass die Privilegierungswirkung des § 89 Abs. 3 demjenigen Geschäftsleiter, der die Insolvenzreife nicht unverzüglich anzeigt, nicht zugutekommt (so auch Skauradszun/Fridgen/Fridgen, StaRUG, § 89 Rn. 43; Flöther/Hoegen/Herding, StaRUG, § 89 Rn. 66). Unverzüglichkeit liegt im Sinne des § 121 BGB vor, wenn die Anzeige ohne schuldhaftes Zögern erfolgt.
Nach § 89 Abs. 3 sind nur solche Zahlungen privilegiert, die im ordnungsgemäßen Geschäftsgang stattfinden, insbesondere Zahlungen, die für die Fortführung der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit und die Vorbereitung und Umsetzung des angezeigten Restrukturierungsvorhabens erforderlich sind. Diese gelten insoweit als mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsleiters vereinbar.
Zu den Zahlungen mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsleiters zählen die zur Erhaltung der Sanierungschancen erforderlichen Leistungen wie etwa Strom und Telefon aber auch Marketingmaßnahmen oder die Bedienung von Löhnen (Skauradszun/Fridgen/Fridgen, StaRUG, § 89 Rn. 37). Ausweislich des Gesetzestextes gehören hierzu daneben aber auch Zahlungen zur Umsetzung des angezeigten Restrukturierungsvorhabens. Dies betrifft beispielsweise Honorare für die im Rahmen der Restrukturierung eingesetzten Berater oder Kosten für Personalmaßnahmen (Skauradszun/Fridgen/Fridgen, StaRUG, § 89 Rn. 38).
Die Zahlungen müssen ferner zur Erreichung der genannten Zwecke erforderlich sein. Bislang nicht geklärt ist, ob hierzu auch Leistungen des Schuldners gehören, bei denen der Vertragspartner bereits vollständig in Vorleistung getreten ist (dafür etwa HmbKomm-StaRUG/Henkel, § 89 Rn. 54; dagegen: Skauradszun/Fridgen/Fridgen, StaRUG, § 89 Rn. 39). Jedenfalls dann aber, wenn die Geschäftsverbindung mit dem Vertragspartner bei Nichtleistung gefährdet wäre, sollte auch dies erforderlich im Sinne der Vorschrift sein (Skauradszun/Fridgen/Fridgen, StaRUG, § 89 Rn. 39).
Zahlungen zwischen dem Eintritt der Insolvenzreife und der Anzeige durch den Schuldner bei Gericht sind nicht nach § 89 Abs. 3 privilegiert. Dies wird durch den Wortlaut der Vorschrift, die voraussetzt, dass der Schuldner die Insolvenzreife angezeigt „hat“, deutlich (Skauradszun/Fridgen/Fridgen, StaRUG, § 89 Rn. 41).
Das Gesetz schränkt den Anwendungsbereich der Privilegierung einzelner Zahlungen ein: § 89 Abs. 3 Satz 2 stellt klar, dass der Zeitraum zwischen der Anzeige der Insolvenzreife bis zur erwarteten gerichtlichen Entscheidung über die Frage, ob die Restrukturierungssache aufgehoben wird oder nicht, nicht genutzt werden darf, um Zahlungen vorzunehmen, die bis zur Entscheidung ohne Nachteile aufgeschoben werden können. Dies folgt bereits aus der Pflicht zur Wahrung des Gesamtgläubigerinteresses (BT-Drucks. 19/24181, S. 182). Welche Zahlungen aufschiebbar sind, lässt sich dabei nicht allgemein feststellen. Vielmehr ist eine einzelfallbezogene Beurteilung – mit den damit verbundenen Unwägbarkeiten – unerlässlich.
Im Hinblick auf § 89 Abs. 1 gilt, dass der Insolvenzverwalter bzw. Sachwalter die Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung darzulegen und zu beweisen hat. Hierbei müssen die in § 89 Abs. 1 genannten Indizien – Kenntnis von der Rechtshängigkeit der Restrukturierungssache oder von der Inanspruchnahme von Instrumenten des Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmens – außer Betracht bleiben (HmbKomm-StaRUG/Henkel, § 89 Rn. 58).
Im Rahmen von § 89 Abs. 2 muss der Anfechtungsgegner bzw. Beteiligte an einer sittenwidrigen Finanzierung die Tatbestandsvoraussetzungen beweisen. Dieser hat daher zu beweisen, dass eine Restrukturierungssache rechtshängig war, eine Anzeige der Insolvenzreife durch den Schuldner erfolgt ist und das Gericht die Restrukturierungssache nicht aufgehoben hat.
Schließlich muss bei § 89 Abs. 3 der Anfechtungsgegner beweisen, dass der Schuldner die Insolvenzreife angezeigt hat, die Restrukturierungssache im fraglichen Zeitpunkt noch nicht aufgehoben war und diese Zahlung im ordnungsgemäßen Geschäftsgang erfolgte. Der Insolvenzverwalter bzw. Sachwalter als potenzielle Kläger müssen die Einschränkung nach § 89 Abs. 3 Satz 2 beweisen, namentlich, dass die streitgegenständliche Zahlung hätte zurückgehalten werden können (Morgen/Bork, StaRUG, § 89 Rn. 54).